Samstag, 18. Mai 2024

Pfingsten in der Vogtei vor 167 Jahren

Abbildung aus der Zeitschrift Gartenlaube, Heft 25, von 1857
Abbildung aus der Zeitschrift Gartenlaube, Heft 25, von 1857

Vor 167 Jahren berichtete die Zeitschrift Gartenlaube über die Vogtei und die Vogteier. Die alten Bräuche der Vogteier wurden anhand von fünf wichtigen Tagen im Jahr beschrieben. Dazu gehörte auch der Pfingsttag. So lesen wir in der Gartenlaube, Heft 25, von 1857:

"Der zweite Tag ist der erste Pfingstfeiertag. Wie anders sieht es da in dem Dorfe aus! Der blaue Frühjahrshimmel hat die Bewohner auf die Straße gelockt, und läßt sie sich singend und lärmend ergehen, gleich als wenn der heitere Himmel, die reinere Luft, das zu neuem Leben hervorsprießende Grün des Waldes und der Flur auch in ihnen neues fröhliches Leben erzeugt hätte. Alles, was eine Kehle hat, jubelt und lacht, Freude malt sich auf jedem Gesicht. Unter das Schreien und Rufen mischt sich Pferdegetrampel und gelles Pfeifen. Plötzlich ist Alles ruhig, nur eine Pfeifstimme ist hörbar und im Nu ist wieder ein Gelächter und Geschrei. Was gibt es denn? fragen wir erstaunt.

„Es wärd der grüne Laubmann eingeführt,“ antwortet uns jede Persönlichkeit, „kennt er das noch nöcht? Das es schienne, da muß er einmal dablieben, h’er wärd gleich kümmen (kommen).“

Der Troß kommt näher, auf aufgeputzten Pferden paradiren die Burschen in ihrem Sonntagsstaat, zwei von ihnen führen an einem Faden eine ganz in Laub eingemummelte Gestalt, gleichfalls zu Pferde, die durch die Zweige hindurch immerwährend pfeifen muß. Vor jedem Haus halten sie an, der Skandal legt sich, das [343] verlassene einzelne Pfeifen ertönt, ihm folgt die Frage: „Kennt Ihr den Schößmaier oder auch Laubmann, so sagt seinen Namen.“ Niemand kennt ihn und muß seine Unwissenheit mit einer kleinen Geldspende bezahlen und bekommt dafür nur ein Gelächter und Geschrei der Hölle zu hören. Auf diese Weise geht es durch das ganze Dorf und dann nach beendigtem Ritte auf den Anger zur Enthüllung der theuern Persönlichkeit. Das erhaltene Geld wird zu einem Gelag verwendet, dem öfters Angertanz folgt.

Welchen Sinn kann man dieser Sitte beilegen? Ist sie nur eine Huldigung dem Frühjahr, der beginnenden Neu- und Arbeitszeit des Ackermannes, oder soll sie den Anfang zum fröhlichen Leben im Freien bilden, oder hängt es mit dem früheren Rechte der Vogteier zusammen, daß sie von diesem Tage ab in das Holz fahren durften? Das erstere scheint mir insofern das Wahrscheinlichste, als ein alter Bauer mir erzählte, daß in früherer Zeit eine zweite Persönlichkeit, in dürres Holz gepackt, mit herumgeführt worden sei, dessen Hülle zu einem Freudenfeuer und Opfer für das Gedeihen der Frucht verbrannt, während die Hülle des Anderen aus Schößlingen (davon der Name) bestehend, von den Burschen in die Erde gesteckt worden sei, um zu grünen und zu wachsen. Jedenfalls ein sinniger Naturcultus, wiewohl ich keiner Bestätigung von anderer Seite habhaft werden konnte."